Leasing-Beitrag zur Kreislaufwirtschaft Ein Gastbeitrag von Prof. Dr. Thomas Hartmann-Wendels

Neue Nutzungskonzepte für die Kreislaufwirtschaft

Schätzungen der UN zufolge wird sich der jährliche globale Ressourcenverbrauch bis 2060 auf 190 Milliarden Tonnen pro Jahr verdoppeln und die Treibhausgasemissionen werden weiter dramatisch ansteigen. Gleichzeitig schätzt die Weltbank, dass die weltweiten jährlichen Siedlungsabfälle bis 2050 um 70 Prozent auf 3,4 Milliarden Tonnen pro Jahr gestiegen sein werden. Angesichts dieser Perspektiven ist offensichtlich, dass Innovationen dringend notwendig sind, wenn diese Entwicklung ohne massiven Konsum- und Wohlstandsverzicht gestoppt werden soll. Die Kreislaufwirtschaft gilt als Lösung für das globale Müllproblem und seine Umweltschäden, sie bremst den Ressourcenverbrauch und reduziert klimaschädliche Treibhausgase. Leasing kann hierfür einen wesentlichen Beitrag leisten.

Kreislaufwirtschaft umfasst den gesamten Lebenszyklus

In der Kreislaufwirtschaft werden Produkte nicht als Verbrauchsgüter begriffen, sondern als Energie- und Rohstoffträger, die immer wieder neu genutzt werden können. Eine solche Kreislaufwirtschaft bedingt zunächst eine Produktionsweise, die Abfälle vermeidet und schädliche Emissionen sowie Energieverluste auf ein Minimum reduziert. Die Kreislaufwirtschaft umfasst den gesamten Lebenszyklus: Sie beginnt mit dem Produktdesign, das so beschaffen sein muss, dass in größtmöglichem Umfang wiederverwertbare Materialien verwendet werden und Produkte so konzipiert werden, dass später keine Abfallprobleme auftreten, sondern die Bestandteile in neue Produktionskreisläufe zurückfließen. Für die Produktion der Güter müssen Verfahren eingesetzt werden, die hinsichtlich des Ressourcen- und Energieeinsatzes effizient sind und in nur geringem Maße schädliche Emissionen verursachen. Mit der Herstellung eines Produkts sind die Anforderungen an eine Kreislaufwirtschaft noch nicht zu Ende. Entscheidend für ein ressourcen- und energieschonendes sowie umweltverträgliches Wirtschaften sind auch die Nutzung und die Wiederverwertung. Zu diesen beiden Stufen der Kreislaufwirtschaft kann Leasing einen wichtigen Beitrag leisten.

Mit traditionellen Nutzungskonzepten schwer vereinbar

Zirkulare Nutzung bedeutet, dass die effektive Nutzungszeit von Produkten verlängert wird, indem sie gemeinsam genutzt oder wiederverwendet, d. h. nacheinander genutzt werden. Offensichtlich ist, dass traditionelle Nutzungskonzepte, die auf der Einheit von Nutzung und Eigentum basieren, mit dem Gedanken der Kreislaufwirtschaft nur schwer vereinbar sind. Güter, die ausschließlich vom Eigentümer genutzt und danach entsorgt werden, schöpfen die Nutzungsmöglichkeiten der knappen Ressourcen, die in dem Produkt verarbeitet sind, oftmals zu schlecht aus und lassen weitere sinnvolle Einsatzmöglichkeiten häufig ungenutzt. Künftig wird es darauf ankommen, Nutzung und Eigentum zu trennen, wobei dem Eigentümer die Aufgabe zukommt, für eine möglichst effiziente Nutzung und Wiederverwertung zu sorgen.

Offensichtlich ist, dass die Trennung von Eigentum und Nutzung dem Grundgedanken des Leasing entspricht. Das bedeutet allerdings nicht, dass Leasing automatisch zu mehr Kreislaufwirtschaft führt, vielmehr wird sich auch die Art und Weise, wie Leasing-Verhältnisse gestaltet werden, ändern müssen.

Professor Dr. Thomas Hartmann-Wendels, Leiter des Forschungsinstitut für Leasing an der Universität zu Köln

Neue Mobilitätskonzepte basieren auf Sharing Economy

Der klassische Vollamortisationsvertrag mit anschließender Kaufoption ist unter dem Aspekt der Kreislaufwirtschaft nicht viel anders zu beurteilen als der Kauf des Wirtschaftsgutes durch den Nutzer. Neue Konzepte basieren auf der Bereitstellung einer Ressource, die von mehreren Nutzern gemeinsam oder zeitlich hintereinander genutzt werden können. Dies kann anhand der Beispiele Fahrzeugleasing und IT-Leasing verdeutlicht werden.

Neue Mobilitätskonzepte beruhen auf dem Grundgedanken der Sharing-Economy. Beobachten können wir dies seit einigen Jahren bei Fahrzeugen und Fahrrädern und seit deren Zulassung auch bei E-Scootern. Durch die gemeinsame Nutzung von Ressourcen im Rahmen des Car-Sharing sinkt die Anzahl der Fahrzeuge, die benötigt werden, um den Mobilitätsbedarf zu befriedigen. Das Einsparpotential durch Car-Sharing wird auf 70 bis 80 Prozent geschätzt. Dies senkt nicht nur den Bedarf an Ressourcen, die für die Herstellung von Fahrzeugen verbraucht werden, sondern reduziert auch die Parkplatzprobleme in den Großstädten. Während Fahrzeuge, die vom Eigentümer genutzt werden, durchschnittlich für 23 Stunden des Tages ungenutzt geparkt werden, sind Fahrzeuge, die gemeinsam genutzt werden, deutlich häufiger im Einsatz. Durch die intensivere Nutzung verkürzt sich zwar die in Jahren gemessene Lebensdauer, misst man die Nutzungskapazität dagegen anhand der Kilometerleistung, so dürfte diese gleichbleiben oder sogar noch höher liegen. Die durchschnittliche Lebensdauer eines Pkw in Deutschland liegt bei 18 Jahren, d. h. es sind zahlreiche Fahrzeuge auf unseren Straßen unterwegs, die in vielerlei Hinsicht technisch veraltet sind, dies betrifft neben der Fahrzeugelektronik vor allem auch die zu hohen Emissionswerte der älteren Fahrzeuge, die noch in Gebrauch sind. Durch eine wesentlich intensivere Nutzung wird eine Ersatzbeschaffung in kürzeren Zeitabständen notwendig, so dass stets relativ neue, schadstoffarme Fahrzeuge gefahren werden.

Dienstleistungen stehen im Vordergrund

Es ist offensichtlich, dass die gemeinsame Nutzung von Objekten neue Anforderungen an die Leasing-Branche stellt. Im Vordergrund stehen weniger die Finanzierungsfunktion von Leasing als vielmehr Dienstleistungen, die mit der Bereitstellung und Wartung der Fahrzeuge zusammenhängen. Car-Sharing kann nur funktionieren, wenn Vertragsbeziehungen komplikationslos über Smartphone zustande kommen. Die Gebühr für die Nutzung des Objekts wird im Minutentakt und nach Anzahl der gefahrenen Kilometer berechnet. Damit übernimmt die Leasing-Gesellschaft wesentliche mit dem Objekt verbundene Risiken, wie das Risiko der vollständigen Amortisation und das Risiko des zufälligen Untergangs. Für Leasing-Gesellschaften sind dies nicht grundsätzlich neue Risiken, sie werden bislang aber typischerweise nicht in dem Umfang getragen, wie es künftig erforderlich sein wird.

Zweites Leben für IT-Geräte

Weltweit fallen – Schätzungen zufolge – jährlich 60 Millionen Tonnen Elektroschrott an, ein erheblicher Teil davon entfällt auf IT-Equipment. Die wenigsten dieser Geräte, die wertvolle Rohstoffe enthalten, sind im physischen Sinne verschlissen, der Grund für ihre Ausmusterung ist vielmehr, dass sie nicht mehr dem neuesten technischen Stand entsprechen. Für viele dieser Geräte gibt es aber durchaus noch sinnvolle Einsatzmöglichkeiten.

Nicht für jede Anwendung wird das jeweils neueste und leistungsfähigste Gerät benötigt, viele Anwendungen laufen auch problemlos auf älterem Equipment. Eine erhebliche Reduzierung des Ressourcenverbrauchs ließe sich erzielen, wenn funktionsfähige Geräte, die für anspruchsvolle Anwendungen nicht mehr nutzbar sind, an andere Nutzer mit einem einfacheren Anforderungsprofil weitergegeben werden könnten. Volkswirtschaftlich sinnvoll wäre es, wenn es einen Sekundärmarkt gäbe, auf dem gebrauchtes IT-Equipment gehandelt werden würde.

Die Existenz eines solchen Marktes scheitert jedoch aus mehreren Gründen:

   

1.

Zunächst ist nicht jedem Nutzer bewusst, welche Art von IT-Ausstattung wirklich erforderlich ist und nicht jeder weiß, was gerade andere Nutzer benötigen.

2.

Einer problemlosen Weitergabe von Geräten steht darüber hinaus das Problem der Datensicherheit im Wege. Daten, die sich auf Festplatten befinden, so zu löschen, dass sie nicht wieder rekonstruierbar sind, erfordert spezifische Fachkenntnisse.

3.

Und schließlich gibt es das Problem der Qualitätsunsicherheit: Der Käufer gebrauchter Güter kann sich nicht sicher sein, ob das Gerät wirklich frei von versteckten Mängeln ist.

Für alle drei Problembereiche können Leasing-Gesellschaften Lösungen anbieten.

Expertise der Leasing-Gesellschaften

Leasing-Gesellschaften kennen die Sekundärmärkte für gebrauchte Objekte, die sie verleasen, gut. Sie wissen, bei welchen Nutzern gebrauchte Geräte noch sinnvoll einsetzbar sind. Darüber hinaus können sie Anwender beraten, durch welche Geräte der Bedarf an IT-Leistungen sinnvoll und ressourcensparend gedeckt werden kann. Auch das Problem der Datensicherheit können Leasing-Gesellschaften lösen. Professionelle und zertifizierte Datenlöschung gehört zu den Kompetenzen, die Leasing-Gesellschaften, die im IT-Leasing tätig sind, oder deren Kooperationspartner besitzen. Und schließlich können Leasing-Gesellschaften auch das Problem der Qualitätsunsicherheit lösen. IT-Geräte werden, bevor sie weiter verleast werden, geprüft und dabei festgestellte Mängel werden behoben. Dies geschieht alleine schon aus ureigenem Interesse: Für nicht einwandfrei funktionierende Geräte zahlt der Leasing-Nehmer keine Leasing-Raten, darüber hinaus würde sich eine Leasing-Gesellschaft den Ruf ruinieren, wenn sie fehlerbehaftete Geräte vermieten würde.

Neue Nutzungskonzepte

Um sich in das Konzept der Kreislaufwirtschaft einzubringen, bedarf es der Entwicklung neuer Nutzungskonzepte. Die Leasing-Branche bringt hierfür gute Voraussetzungen mit: Leasing-Gesellschaften verfügen nicht nur über Finanzierungskompetenz, sondern auch über Objektkompetenz. Diese ist in hohem Maße erforderlich, um Nutzungskonzepten, die mit dem Gedanken der Kreislaufwirtschaft kompatibel sind, zum Erfolg zu verhelfen. Die Leasing-Branche hat in der Vergangenheit gezeigt, dass sie sich flexibel an neue Gegebenheiten anpassen kann, diese Flexibilität wird auch in der Zukunft gefordert sein.

Professor Dr. Thomas Hartmann-Wendels leitet das Forschungsinstitut für Leasing an der Universität zu Köln. Seine Hauptarbeitsgebiete sind die Neue Institutionenökonomik, die Theorie der Regulierung sowie das Risikomanagement bei Banken, insbesondere das Management von Kreditrisiken.

Das Forschungsinstitut für Leasing an der Universität zu Köln untersucht seit mehr als 30 Jahren das wissenschaftliche Fundament von Leasing. Neben grundlegenden Analysen – z. B. zur Vorteilhaftigkeit – widmet sich das Institut auch aktuellen Fragestellungen.

Getragen wird die Arbeit des Instituts vom Verein zur Förderung des Forschungsinstituts für Leasing an der Universität zu Köln e.V.