Im Gespräch mit Präsident Kai Ostermann und Hauptgeschäftsführerin Dr. Claudia Conen
Das Jahr 2020 wird beherrscht von der COVID-19-Pandemie und den wirtschaftlichen Folgen des Shutdowns. Welche Auswirkungen hat die Corona-Krise auf die Leasing-Branche?
Dr. Claudia Conen:
Bei den Auswirkungen würde ich zwei Dinge unterscheiden: Auf der einen Seite stehen die Pandemie und ihre Folgen für die Zusammenarbeit und die Kommunikation mit Kunden und Mitarbeitern. Hier waren die Leasing-Gesellschaften sicher genauso betroffen wie andere Unternehmen: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind ins Homeoffice gegangen, Präsenzveranstaltungen wurden abgesagt, Kundentermine mussten auf Telefon- und Videoformate umgestellt werden. Ich habe den Eindruck, dies hat – dank der Digitalisierung in den Häusern – alles in allem gut funktioniert. Auf der anderen Seite stehen die Auswirkungen auf die Wirtschaft. Diese haben uns stärker in Atem gehalten und werden dies noch über einen längeren Zeitraum tun.
Kai Ostermann:
Direkt mit dem Shutdown war klar, dass auf die Wirtschaft insgesamt große Herausforderungen auf der Liquiditätsseite zukommen werden. Teilweise komplette Umsatzausfälle sind nicht einfach zu kompensieren. Als bedeutender Mittelstandsfinanzierer wollte die Branche Verantwortung übernehmen und sich in der Krise als Partner ihrer Kunden beweisen. Dabei sind viele Leasing-Gesellschaften bis hart an die Grenzen des Machbaren gegangen, denn auch sie haben Verpflichtungen, denen sie nachkommen mussten. Wir bedauern, dass Leasing-Gesellschaften bisher nicht direkt in die staatlichen Förderprogramme eingeschlossen wurden. Die Bundesregierung hat zwar mit einem beispiellosen Hilfspaket die Wirtschaftsunternehmen unterstützt und im Rahmen der Sonderprogramme Haftungsrisiken für Kreditinstitute übernommen. Die Leasing-Branche als Bindeglied zwischen Real- und Finanzwirtschaft blieb jedoch bei den Maßnahmen außen vor. Dabei nutzen Unternehmen derzeit geleaste Maschinen, Fahrzeuge, IT-Geräte etc. im Wert von rund 220 Milliarden Euro.
Mit Ihrer Forderung, die KfW-Sonderprogramme für Leasing zu öffnen, sind Sie letztlich durchgedrungen.
Ostermann: Wir begrüßen, dass die KfW ihre Förderprogramme für Leasing geöffnet hat. Die KfW hat klargestellt, dass unsere Kunden mit den gewährten Hilfskrediten auch Leasing-Raten begleichen können. Dies war ein wichtiger Schritt, damit die Hilfen auch in der Realwirtschaft Wirkung entfalten können. Die Bundesregierung hatte ähnliches bereits für die Soforthilfe von Bund und Ländern kommuniziert. Darüber hinaus können nun auch Leasing-Gesellschaften über ihre Hausbanken den KfW-Unternehmer- und KfW-Schnellkredit beantragen. Jedoch nur, um Betriebsmittel und eigene Investitionen zu finanzieren. Wir hätten uns eine Öffnung zur Refinanzierung von Kundeninvestitionen gewünscht.
Dr. Conen: Die Branche hat nach Lösungen gesucht, um den kurzfristig gestiegenen Liquiditätsbedarf abzufedern. Im Austausch mit ihren Refinanzierungspartnern wurden pragmatische Maßnahmen zur Stundungsproblematik diskutiert und letztlich gefunden, z. B. durch Ausweitung von Kontokorrentkreditlinien und Restrukturierungen. Diese vertrauensvolle Zusammenarbeit hat dazu beigetragen, dass bisher die Leasing-Wirtschaft mit einem blauen Auge, aber letztlich verhältnismäßig stabil, durch die Krise gekommen ist.
Ostermann: Die Investitionsstimmung unserer Kunden ist aber noch getrübt. Die Ausrüstungsinvestitionen sollen verschiedenen Prognosen zufolge um etwa 20 Prozent zurückgehen. Ohne Investitionen wird es jedoch kein Wachstum, keine Innovationen und keinen Aufschwung geben. Dies wird sicher auch Auswirkungen auf das Neugeschäft der Leasing-Branche haben.
Das Konjunkturpaket der Bundesregierung sieht vor, die vom BDL seit langem geforderte degressive Abschreibung wieder einzuführen. Ein Erfolg?
Ostermann: Die Wiedereinführung war längst überfällig, denn Deutschland leidet seit vielen Jahren an einem Investitionsdefizit mit der Folge, dass unser Kapitalstock nicht modernisiert wird. Die degressive AfA ist daher ein Schritt in die richtige Richtung. Unsere Erfahrung zeigt, dass sie einen schnellen und unkomplizierten Anreiz für Investitionen setzt. Die temporäre Einführung – begrenzt bis Ende 2021 – halte ich dagegen für einen Fehler. Nur die degressive Abschreibung bildet den tatsächlichen Wertverlauf eines Ausrüstungsgutes richtig ab. Die Wiedereinführung sollte daher unbefristet sein.
Dr. Conen: Wir haben der Politik verdeutlicht, dass gerade beim Wiederhochfahren der Wirtschaft Leasing für die Realisierung von Investitionsplänen enorm wichtig ist. Denn wir haben es künftig mit höher und zum Teil auch hoch verschuldeten Unternehmen in vielen Branchen zu tun. Die meisten Firmen waren vor der Krise gesund und viele wollen jetzt wieder durchstarten. Dabei kommt den Leasing-Gesellschaften eine wichtige Rolle zu. Als eine wesentliche Säule der Unternehmensfinanzierung schon Leasing die Liquidität. Zudem ermöglichen spezielle Konzepte wie Pay-as-you-earn, dass sich z. B. eine neue Anlage oder Maschine aus ihren Nutzungserträgen finanziert. Mit Sale-and-lease-back lassen sich zudem stille Reserven in Anlagen, Maschinen oder Immobilien aktivieren.
Die Leasing-Branche wirkt daher als Investitionsmotor und ist essentiell für den Neustart der Wirtschaft.
In der Hoffnung, dass wir keine zweite Welle der Pandemie erleben und langsam wieder zu einer Art von Normalität zurückkehren: Was denken Sie, welche Themen werden die Leasing-Branche und den BDL in den nächsten Jahren dominieren?
Dr. Conen: Ganz sicher die Megatrends Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Die vergangenen Monate haben gezeigt, dass der digitale Wandel der Unternehmen in Deutschland auf einem guten Weg ist, jedoch weiter intensiv vorangetrieben werden muss. Daneben gehören auch Nachhaltigkeit und Klimaschutz zu den großen Herausforderungen. Die Leasing-Wirtschaft kann den Wandel zu einer nachhaltigen Wirtschaft in Deutschland aktiv mitgestalten und einen großen Teil der notwendigen Investitionen in moderne, energieeffiziente und umweltfreundlichere Technologien realisieren. Das zeigen nicht zuletzt die vielen Kundenbeispiele in diesem Jahresbericht.
Ostermann: Nehmen Sie den Wandel zur Elektromobilität, dem im Konjunkturpaket eine gewichtige Bedeutung beigemessen wird. Dieser Wandel ist ohne Leasing gar nicht machbar, wenn wir uns die Bedeutung von Leasing für die Automobilindustrie vor Augen führen. Leasing ist ein wesentliches Absatzinstrument der Hersteller. Zwei von fünf neu zugelassenen Fahrzeugen sind geleast, im gewerblichen Bereich liegt der Anteil noch höher.
Dr. Conen: Das Thema Nachhaltigkeit ist zudem eng mit der Kreislaufwirtschaft verbunden. Auch hier nimmt das Geschäftsmodell Leasing eine Schlüsselrolle ein. Es gehört zum Leasing-Leitgedanken, dass ein Fahrzeug oder eine Maschine von mehreren Nutzern nacheinander eingesetzt wird. Die gebrauchte Maschine landet beim Leasing eben nicht auf dem Schrottplatz, sondern wird von der Leasing-Gesellschaft nach Ablauf des Leasing-Vertrages zurückgenommen, wiederaufbereitet und schließlich von einem Dritten genutzt.
Ostermann: Verstärkt fragen Kunden nach Lösungen mit einem Mehrwert. Den kann Leasing gerade im Zusammenspiel mit Digitalisierung bieten: Die Erfassung und Auswertung von Big Data ermöglicht nutzungsabhängige Finanzierungsmodelle wie Pay-per-Use und neue Services wie Predictive Maintenance.
Von den Marktthemen nun zum Verband. Herr Ostermann, wo sehen Sie als Präsident die Schwerpunkte der Verbandsarbeit?
Ostermann: Zunächst einmal müssen die Themen, die wir hier gerade diskutiert haben, politisch und kommunikativ begleitet werden. Gerade in puncto Neustart der Wirtschaft sehe ich bei unseren Anliegen viele Schnittmengen mit den realwirtschaftlichen Akteuren. Die Corona-Krise hat gezeigt, dass die Leasing-Wirtschaft und ihre Kunden aus den verschiedenen Branchen in einem Boot sitzen. Wenn es unseren Kunden gut geht und sie investieren, kommt dies auch den Leasing-Gesellschaften zugute. Gleiches gilt umgekehrt. Daher haben wir in den vergangenen Monaten verstärkt Initiativen mit anderen Verbänden ins Leben gerufen – was sich bewährt hat.
Dr. Conen: Absolut. Die von uns initiierte 7-Verbände-Allianz hat zu Beginn der Krise weitere Liquiditätshilfen für den Mittelstand eingefordert. Mit dieser Allianz und weiteren Verbänden haben wir auch Vorschläge für das Konjunkturpaket diskutiert und an die Bundesregierung herangetragen. Darüber hinaus ist es wichtig, sich ad hoc als Spezialist und Partner der großen Spitzenverbände zu zeigen.
Ostermann: Die Leasing-Branche ist mittelständisch geprägt, in ihrer Struktur spiegelt sie die Unternehmenslandschaft in Deutschland wider. Die Vielfalt auf Seiten der Leasing-Gesellschaften garantiert auch die Vielfalt auf Seiten der Kunden – und letztlich sogar das deutsche Wirtschaftsmodell. Die Stärkung und Förderung des Mittelstandes gehört daher zu unseren Kernanliegen.
Womit wir bei den aktuellen Rahmenbedingungen für die Leasing-Wirtschaft sind. Wo drückt der Branche der Schuh, wo sehen Sie Bedarf für Veränderungen?
Ostermann: Bedarf sehen wir vor allem beim Regulierungsdruck, der nach wie vor auf der Branche lastet und ein erhebliches Hindernis für die Leasing-Wirtschaft darstellt. Gerade jetzt, da Leasing als Investitionsmotor der Wirtschaft für den Neustart dringend gebraucht wird. Vom ursprünglich angedachten „KWG Light“ für Leasing-Gesellschaften ist die Branche weit entfernt. Die Besonderheiten unseres Geschäftsmodells und der Leasing-Branche werden nicht immer angemessen berücksichtigt. Stattdessen werden die regulatorischen Standards von den Großbanken abgeleitet – und treffen letztlich auch die mittelständischen Leasing-Gesellschaften. Leasing-Unternehmen sind jedoch keine Banken, sie sind kleiner und tragen ein deutlich geringeres Risiko. Entsprechend gilt es, die Besonderheiten der Branche und des Leasing-Geschäfts mit Proportionalität und mehr Differenzierung angemessen zu berücksichtigen.
Hierzu befinden wir uns mit Politik, Fachleuten in den Ministerien und natürlich vor allem der Aufsicht im laufenden und konstruktiven Austausch. Ziel muss es sein, Leasing-Gesellschaften nicht zu überfordern. Regulatorische Anforderungen müssen auch für mittelständische Institute erfüllbar sein. Nach meinem Eindruck findet dieser Aspekt auch mehr und mehr Beachtung bei neuen Regulierungsinitiativen.
Wechsel in der Hauptgeschäftsführung
Dr. Claudia Conen ist am 1. Januar 2020 als Hauptgeschäftsführerin an die Spitze der BDL-Geschäftsführung gerückt. Ihr Vorgänger, Horst Fittler, der diese Funktion knapp zehn Jahre inne hatte, war zum Jahresende 2019 in den Ruhestand getreten.
Dr. Conen, 44, verfügt über eine breite Expertise in den Feldern Mittelstandsfinanzierung und Finanzmarktregulierung. Beim Bundesverband Öffentlicher Banken leitete sie den Bereich „Fördergeschäft und Finanzierung“ und betreute die Mittelstandsfinanzierung. Zuvor war die gebürtige Erfurterin in der KfW Bankengruppe im Vorstandsstab für Europaangelegenheiten und Finanzmarktregulierung tätig.
Die promovierte Wirtschaftsjuristin ist Mitglied im Präsidium der überparteilichen Europa-Union Deutschland und Sprecherin der AG Europäische Wirtschaftspolitik. Sie vertritt die Europa-Union im ZDF-Fernsehrat. Darüber hinaus gehört sie dem Team Europe-Expertenpool der EU-Kommission an.